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02008 Digitalisierung: EMRAM Stufe 2

Um Fördervorhaben für das Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG) umzusetzen, müssen Sie den digitalen Reifegrad „Ihres" Krankenhauses ermitteln. Dabei bietet sich das internationale Stufenmodell EMRAM an.
Dieser Beitrag zeigt Ihnen die Voraussetzungen, die erfüllt werden müssen, um die zweite Stufe im EMRAM-Reifegradmodell zu erreichen.
Der Beitrag zeigt die Umsetzung Schritt für Schritt anhand vieler praxisbezogener Beispiele und Abbildungen.
Arbeitshilfen:
von:

1 Organisation HIMSS

Reform des globalen Gesundheitsökosystems
Das EMRAM-Modell wurde 2005 in den USA von HIMSS Analytics entwickelt [1]. HIMSS Analytics ist ein Tochterunternehmen der HIMSS (Healthcare Information and Management Systems Society). HIMSS selbst wurde schon 1961 in den USA als Non-Profit-Organisation gegründet. Ziel der Organisation ist es, die Gesundheit der Patienten durch die Unterstützung und den Einsatz von Informationstechnologie zu verbessern. In einem neuen Statement [2] soll dieses Ziel durch die Transformation im Gesundheitswesen erreicht werden. Damit einhergeht die Reform des globalen Gesundheitsökosystems durch die Nutzung von Informationen und neuen Healthcare-Technologien. Die Organisation HIMSS versteht sich dabei als globaler Berater und Vordenker bei der Anwendung technologischer Innovationen und der Nutzung medizinischer Informationen. Im August 2022 fand ein Live-Event von HIMSS statt, bei dem ein Ausblick über die weitere Zukunft im globalen Healthcare-Bereich gegeben wurde [3]. Bedeutende Schwerpunkte des Events waren:
personalisierte Pflegemodelle
Stand der digitalen Transformation
neue Gesundheitstechnologien und deren Einführung
In Europa gibt es eine europäische Teilorganisation von HIMSS, die HIMSS Analytics Europe [4]. HIMSS Analytics Europe unterstützt Gesundheitsdienstleister in Europa (und damit auch in Deutschland), um die Reifegradmodelle der Krankenhäuser voranzubringen und damit die Patientenversorgung zu verbessern.
Schwerpunkte
Eine weitere Teilorganisation innerhalb von HIMSS ist das HIMSS Office of Scientific Research (OSR). Die Hauptarbeit von OSR zielt darauf ab, Erkenntnisse aus der Arbeit in der digitalen Gesundheit zu sammeln, auszuwerten und die Erkenntnisse in Best-Practices-Ansätzen darzustellen, mit dessen Hilfe die Zukunft des Gesundheitswesens vorangetrieben werden kann. Wesentliche Schwerpunkte der OSR sind:
Betrachtungen zur operativen Leistungsfähigkeit des Gesundheitswesens
Wahren der Chancengleichheit der Patienten beim Zugang zu Gesundheitsdienstleistungen
Verbesserung der Behandlungsergebnisse in der personalisierten Medizin
Auswirkung digitaler Gesundheitsökosysteme auf die Entwicklung des Gesundheitspersonals
globale Auswirkungen der Digitalisierung beim Vergleich der Gesundheitssysteme

2 HIMSS-AMAM

Zwischen EMRAM 1 und EMRAM 2
Neben der bereits beschriebenen Notwendigkeit der Einführung eines EAM-Modells (s. Kap. 02007) ist die Einführung eines weiteren Modells erforderlich, um die digitale Transformation eines Krankenhauses strukturiert voranzutreiben. In der Gesundheitseinrichtung bedarf es einer Zwischenentscheidung, die mit der Willensbekundung der Geschäftsführung einhergeht, eine Methodik bereitzuhalten, mit der die gesamtheitliche Verbesserung der Gesundheitseinrichtung gemessen werden kann (Reifegradanalytik).
HIMSS-AMAM
Bei der Herangehensweise zur Messung einer ganzheitlichen Verbesserung, werden alle Fachbereiche (auch die nicht medizinischen) in der Gesundheitseinrichtung analysiert. Damit soll ermöglicht werden, dass mit dieser Analyse ein einheitlicher Rahmen (Framework) über die Gesundheitseinrichtung gespannt wird und der jeweilige Reifegrad innerhalb einer strategischen Roadmap zur Weiterentwicklung der Gesundheitseinrichtung aufgezeigt wird. Aufgrund bestimmter Analyseparameter muss immer wieder geprüft werden, ob die Reifegradanalytik in der Lage ist, die aktuellen Geschäftsprozesse anhand von Kennzahlen zu messen. HIMSS bietet dazu das Analytics Adoption Model for Analytics Maturity (AMAM) an.
Analysen im Gesundheitsunternehmen dienen dazu, das Unternehmen ganzheitlich also über die medizinischen Aspekte wie z. B. eine klinische Entscheidungsunterstützung zu verbessern. Ein Fallbeispiel ist die Verbesserung der operativen Geschäfte und der Liquidität des Gesundheitsunternehmens. Das HIMSS-AMAM-Modell betrachtet genau diese Aspekte in einem an das EMRAM-Modell angelehnten 8-Stufen-Modell. Das international anerkannte Modell (Stufe 0–7) misst die Fähigkeiten des Gesundheitsunternehmens, die es durch die Installation von neuer IT-Technologie und den damit verbundenen Geschäftsprozessen gewonnen hat [5]. Abbildung 1 stellt die acht Stufen von HIMSS-AMAM dar.
Abb. 1: 8-Stufen-Modell HIMSS-AMAM, vereinfachte Darstellung

2.1 Stufenbeschreibungen

Stufe 0
Das Gesundheitsunternehmen beginnt mit der Betrachtung, mehr über die Entwicklung von Analysefunktionen als Reaktion auf operative Geschäftsanforderungen und Marktdruck wissen und anwenden zu wollen. Die Geschäftsführung beschreibt in ihren Unternehmenszielen die Notwendigkeit, weitere Einblicke in die wichtigen ökonomischen Entscheidungen zu gewinnen, die sie jeden Tag treffen.
Stufe 1
Das Gesundheitsunternehmen beginnt, operative und medizinische Geschäftsdaten an einem zentralen Ort zu sammeln und zu verwalten, z. B. in einem operativen Datenspeicher, oder Softwareanwendungen zu implementieren, die Data-Warehouse-Funktionalitäten unterstützen.
Das Hauptaugenmerk in dieser Stufe liegt auf der Dokumentation und Umsetzung einer Analysestrategie, die grundlegende Daten aus geeigneten Aufzeichnungssystemen zusammenführt. Es wird ein Algorithmus abgeleitet, die Daten zu verwalten (Data Governance) und Ziele zu definieren. Damit soll erreicht werden, dass die gewonnenen Daten von einem breiten Querschnitt von Analysten verwendet und referenziert werden können.
Stufe 2
Daten des Gesundheitsunternehmens werden in einem formalen Data Warehouse als Unternehmensressource (im Gegensatz zu einer siloorientierten und einzeln genutzten IT-Ressource) mit einem Master Data Management (MDM) dargestellt, das wirtschaftliche Ad-hoc-Abfragen und daraus abgeleitete Unternehmensberichte unterstützt. Das Data-Warehouse-Modell hat unmittelbare standardisierte Schnittstellen zu den Informationssystemen: KIS, RIS, LIS, CIS usw.
Die Gesundheitseinrichtung beginnt mit der Ausgestaltung (Reifung) der Data Governance und nutzt diese Umgebung zur Unterstützung grundlegender klinischer und betrieblicher Aufgaben und Abläufe, wie z. B. Patientenregister (Fallbeispiel: Einführung Master Patient Index – MPI).
Alle Analyseaktivitäten sollten auf die allgemeinen strategischen Ziele der Teilorganisationen und Abteilungen innerhalb der Gesundheitseinrichtung abgestimmt sein.
Analytische Fähigkeiten, Standards und dazu erforderliche Weiterbildungen werden über ein in der Gesundheitseinrichtung installiertes Analysekompetenzzentrum, in der Regel in der kaufmännischen Direktion verortet und verwaltet.
Stufe 3
Einführung von Methoden zur Beherrschung des deskriptiven Reportings (Darstellen von Kennzahlen als Messgröße im Sinne der Einführung einer Kennzeichen-Auswerte-Statistik) im gesamten Gesundheitsunternehmen.
Die unterschiedlichen Teilorganisationen und klinischen Abteilungen im Gesundheitsunternehmen sind in der Lage, erhobene Daten effektiv auszuwerten (zu korrelieren), damit zu arbeiten und historische und aktuelle Periodenberichte (Kennzahlenauswertungen) mit minimalem Aufwand zu erstellen (dauerhaftes stabiles Controlling).
Die erhobenen Daten im Gesundheitsunternehmen sind nachvollziehbar (stabile Datenqualität) und dienen dazu notwendige strategische Entwicklungen vorhersehbar zu machen. Die zur Bearbeitung der Daten verwendeten Softwaretools sind standardisiert sowie allgemein verfügbar und der Zugriff auf das Data Warehouse wird sicher und zuverlässig verwaltet (Rollen- und Rechtekonzept).
Stufe 4
Die Gesundheitsorganisation richtet analytische Datenbestände, Fähigkeiten und die IT-Infrastruktur direkt auf die Verbesserung klinischer, finanzieller und operativer Prozesse aus.
Dazu gehört es, eine gemeinsame Anstrengung aller Mitarbeiter zu unternehmen, zum Verständnis des medizinischen und kaufmännischen Gesamtprozesses. Der Fokus richtet sich auf die Optimierung der Abläufe durch die Verfeinerung von Analyseressourcen, die die evidenzbasierte medizinische Patientenversorgung unterstützen, die Nachverfolgung und Berichterstattung von Pflegemaßnahmen sowie betrieblichen Abläufen garantiert und die Verbesserung der klinischen Abläufe unterstützt, bei gleichzeitiger Verbesserung materieller und personeller Ressourcen.
Stufe 5
Die Teilorganisationen und Abteilungen der Gesundheitseinrichtung erweitern ihre Abteilungsprozesse durch gezielte Analysen (sogenannte: Point-of-Care-orientierte Analysen), um im Gesamtprozess der Patientenbehandlung die weitere Orientierung aller Maßnahmen am Behandlungspfad auszurichten und alle Mitarbeiter in diesen Prozess einzubeziehen.
Die Data Governance der Gesundheitseinrichtung ist darauf ausgerichtet, kontinuierliche qualitätsbasierte Leistungsberichte zu unterstützen und ein besseres Verständnis für die Wirtschaftlichkeit der Einrichtung im Kontext der Umsetzung leitliniengerechter Pflege zu vermitteln. Die Data Governance beschreibt die einrichtungsbezogenen Prinzipien und Prozesse, die die Verfügbarkeit, Qualität und Sicherheit von Daten innerhalb der Gesundheitsorganisation gewährleisten.
Angesichts ständig wachsender Datenmengen, komplizierter Datenökosysteme und zunehmendem Regulierungsdruck im Gesundheitswesen ist Data Governance ein Muss für die Gesundheitsunternehmen, um die Daten für Geschäftsentscheidungen zu nutzen und wettbewerbsfähig zu bleiben.
Stufe 6
In dieser Reifegradstufe wird das Unternehmen dazu verpflichtet, Predictive Analytics in den Geschäftsprozess dauerhaft und nachweislich zu implementieren. Predictive Analytics bietet fortschrittliche Datenanalysen mit einem integrierten Workflow, mit dem intelligentere, schnellere und genauere datengesteuerte Entscheidungen die Geschäftsführung beim Betrieb der Gesundheitseinrichtung unterstützen können. Die Anwendung von Predictive Analytics richtet den Fokus auf erweiterte Dateninhalte mit dem Ziel zur klinischen Unterstützung der einzelnen Klinikbereiche in der Gesundheitseinrichtung.
Stufe 7
Die Stufe 7 fokussiert auf eine dauerhafte harmonische Anwendung von Analysen zur Unterstützung der auf Abläufen und festen Regeln (präskriptiven) fußenden Prozesse in der Patientenversorgung der Gesundheitseinrichtung.
Einzelne Teilbereiche innerhalb der Gesundheitseinrichtung können fortschrittliche Datensätze wie genomische und biometrische Daten nutzen, um eine einzigartig zugeschnittene, medizinische Behandlung der Patienten durchzuführen. Die Anwendung der präskriptiven Analytik in den Geschäftsprozessen unterstützt die Gesundheitseinrichtung dabei, strategische Unternehmensentscheidungen auf Grundlage exakter Daten zu treffen und damit die spezialisierten Patientenbehandlungen mit konkreter personalisierter Medizin zu unterstützen.
Bei Change-Prozessen im Gesundheitswesen können Gesundheitseinrichtungen notwendige Anpassungen in der Patientenpflege und der medizinischen Behandlung in Kombination mit präskriptiven Analysen jederzeit umsetzen.
Data Warehouse
Abbildung 2 stellt vereinfacht die funktionellen Aufgaben im Gesundheitsunternehmen dar, die mit HIMSS-AMAM dauerhaft in Form eines Modern Data Warehouse überwacht werden. Ab AMAM Stufe 2 beginnen die Anwendungen der Analysestrategien sich inhaltlich auf die weitere Entwicklungsstrategie des Gesundheitsunternehmens positiv auszuwirken.

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