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07050 Grundlagen des DICOM-Standards

DICOM (Digital Imaging and Communications in Medicine) ist der weltweit wichtigste Standard für den Austausch medizinischer Bilddaten. Aufgrund seines Umfangs, der zum Teil ungewöhnlich erscheinenden Terminologie und der raren Literatur kommt es in der Praxis immer wieder zu Unsicherheiten, z. B. welche Informationen eigentlich in einem Bild vorhanden sein müssen, welche Netzwerkschlüssel zur Suche im PACS verwendet werden können oder was es genau mit „UIDs” auf sich hat.
Dieser Beitrag bietet einen Einstieg in den Standard und macht den Leser mit dessen Grundkonzepten vertraut. Dabei wird der Fokus auf eine systematische Einführung in genau die Bereiche gelegt, die zur Problemlösung in der Praxis relevant sind.
von:

1 Einführung

Hohe Einstiegshürden
DICOM (Digital Imaging and Communications in Medicine) ist der weltweit wichtigste Standard für medizinische Bildkommunikation. Er beschreibt ein Format zur Speicherung und Übertragung von medizinischen Bildern über Netzwerke oder Datenträger sowie ergänzende Netzwerkdienste.
Seit der ersten Fassung des Standards aus dem Jahr 1993 wurde DICOM stetig und umfassend weiterentwickelt. Inzwischen beschreibt er auf über 4.000 Seiten Dutzende verschiedener Bildformate, von den Schichtbildformaten CT und MR bis zu speziellen Formaten für Dentalaufnahmen oder Bildern aus der Augenheilkunde. Die am weitesten verbreiteten Dienste des Standards betreffen das Einstellen von Bildern in ein Bildarchiv (PACS – Picture Archiving and Communication System) und das spätere Suchen und Herunterladen. Davon abgesehen hat sich jedoch auch eine Vielzahl weiterer Dienste etabliert, die aus dem heutigen Klinikalltag kaum noch wegzudenken sind, so z. B. das Worklist-Management zur Verwaltung von Arbeitsaufträgen oder das DICOM-Druckprotokoll, mit dem medizinische Drucker oder Filmbelichter angesteuert werden können.
Trotz seiner nun fast 20ig-jährigen Geschichte bleibt der Standard für viele immer noch „ein Buch mit sieben Siegeln”. Dafür gibt es wahrscheinlich verschiedene Gründe: So ist der Standard beispielsweise sehr technisch geschrieben und verwendet Begrifflichkeiten, die ohne Weiteres auch einem technisch versierten Leser nicht verständlich sind, da DICOM zum Teil auf technische Konzepte zurückgreift, die bis heute keine weite Verbreitung gefunden haben (genannt sei hier der OSI-Standard). Zudem ist DICOM aufgeteilt in fast 19 Teildokumente, die thematisch gruppiert sind, jedoch nicht zum klassischen Lesen von der ersten bis zur letzten Seite angelegt sind. Dennoch gibt es leider kaum Sekundärliteratur, die einen einfachen Einstieg ermöglicht.
Inhalt des Beitrags
Vor diesem Hintergrund soll dieser Beitrag einen kurzen Überblick über den Standard liefern und den Leser mit den wichtigsten Konzepten und Begriffen vertraut machen, um das Verstehen und Erarbeiten weiterer Themen in DICOM zu erleichtern. Nach einem kurzen Abriss der Geschichte des Standards und einem kurzen Überblick folgt ein Kapitel zu den DICOM-Datenstrukturen, die zum Aufbau von DICOM-Bildern notwendig sind. Darauf folgt ein Abschnitt zum DICOM-Bildmodell, das Größe, Farbtiefe usw. festlegt, jedoch auch genaue Vorgaben macht, wie die abgelegten Bilddaten zur Bilddarstellung verarbeitet werden müssen. Aufbauend darauf wird erläutert, wie der eigentliche Datenaustausch vonstattengeht, d. h., wie zwei Kommunikationspartner sich auf gemeinsame Übertragungsparameter im Netzwerk einigen und schließlich Bilddaten austauschen oder eben andere Informationen wie Arbeitsaufträge. Auch der Austausch via Datenträger spielt in DICOM eine große Rolle und wird daher kurz angerissen. Anschließend wird auf Conformance Statements eingegangen, in denen Anbieter von DICOM-konformen Systemen genau aufschlüsseln müssen, welche Teile des Standards sie unterstützen. Ein kurzer Ausblick, u. a. mit einem Verweis auf die IHE-Initiative, schließt den Beitrag ab.

1.1 Geschichte

ACR-NEMA
In den 1970er-Jahren wurde mit der Computertomografie (CT) das erste Verfahren eingeführt, das im großen Stil medizinische Bilder in digitaler Form bereitstellte. Zunächst startete jeder Hersteller mit seinem eigenen Format, d. h., Bilder konnten nicht zwischen den bildgebenden Geräten, Befundungsarbeitsplätzen und Archivsystemen verschiedener Hersteller ausgetauscht werden. Aus diesem Grund kam schon bald der Wunsch nach einem herstellerübergreifenden Bildkommunikationsstandard auf, der unter der Schirmherrschaft des American College of Radiology (ACR) und der National Electrical Manufacturers Association (NEMA) erarbeitet wurde. Die erste offizielle Fassung dieses Standards erschien im Jahr 1985 unter dem Namen ACR-NEMA Version 1.0 [1].
Trotz erheblicher Überarbeitung und Nachbesserung in der Version 2 (1988) verfügte ACR-NEMA über einige grundsätzliche Schwachpunkte, die letztendlich zu Inkompatibilitäten zwischen Herstellern führten. Unter anderem legten die Anbieter häufig wichtige Informationen in proprietären Daten innerhalb der ACR-NEMA-Bilder ab, anstatt die dafür eigentlich vorgesehenen Standardfelder zu nutzen. Ein weiterer problematischer Punkt, der eine größere Überarbeitung notwendig machte, war sicherlich auch das Aufkommen von Netzwerken innerhalb der Krankenhäuser: ACR-NEMA verstand sich nur auf den Austausch von Bilddaten über ein spezielles ACR-NEMA-Kabel (Parallelschnittstelle), über das jeweils zwei Geräte miteinander kommunizieren konnten.
DICOM-Versionen
Aufgrund dieser Probleme entschloss man sich, den Standard von Grund auf neu zu gestalten. Unter anderem wurde die Kommunikation über TCP/IP eingeführt, die eine Vernetzung im eigentlichen Sinne ermöglichte. Diese neue, generalüberholte Fassung des ACR-NEMA-Standards wurde schließlich 1993 (wieder) von ACR und NEMA veröffentlicht und steht seitdem unter dem Namen DICOM (Version) 3.0 bereit. Die Weiterentwicklung wird überwacht vom DICOM-Komitee, das sich aus Vertretern der Industrie und Anwendern (z. B. der Deutschen Röntgengesellschaft) zusammensetzt. Trotz kontinuierlicher Weiterentwicklung tragen alle Fassungen des DICOM-Standards seit 1993 die Versionsnummer 3.0 – andere Versionsnummern hat es nie gegeben und wird es aller Wahrscheinlichkeit nach auch nie geben.
Wachstum des Standards
Der DICOM-Standard wächst und verändert sich stetig: Es wird also eine andere Möglichkeit gebraucht, um zwischen verschiedenen Fassungen des Standards unterscheiden zu können, weshalb oft auf Jahreszahlen verwiesen wird. Die Entwicklung des Standards wird anhand zweier unterschiedlicher Dokumententypen, der sogenannten Supplements und Correction Proposals, vorangetrieben. Supplements werden von einer Arbeitsgruppe (Working Group) des DICOM-Komitees intern erarbeitet („Draft”) und schließlich der Öffentlichkeit mit der Bitte um Kommentierung zur Verfügung gestellt („Draft for Public Comment”). Nach Einarbeiten der Kommentare entsteht eine Fassung („Letter Ballot”), die dann vom DICOM-Komitee abgestimmt wird. Wird die Aufnahme in den Standard beschlossen, sind die darin beschriebenen Bildtypen, Netzwerkdienste oder andere Neuerungen augenblicklich offizieller Teil von DICOM. Alle 1–2 Jahre werden die in der Zwischenzeit abgestimmten Supplements in die Gesamtfassung des Standards eingearbeitet und auf der ACR-NEMA-Website als Jahresversion veröffentlicht. Die letzte Gesamtfassung trägt z. B. den Titel DICOM 2009 (wurde jedoch erst Anfang 2010 veröffentlicht). Correction Proposals (CPs) betreffen dagegen kleinere Änderungen am Standard, wie z. B. kleine Ergänzungen bei unklaren Formulierungen oder die Korrektur von Rechtschreibfehlern. Da die dort eingeführten Änderungen üblicherweise nicht kritischer Natur sind, werden CPs jeweils blockweise dem DICOM-Komitee zur Abstimmung vorgelegt und sind danach ebenfalls sofort Teil des Standards. Genaugenommen ist also ein Bezug auf Jahreszahlen nicht exakt – der Standard kann sich tagtäglich mit jedem angenommenen Correction Proposal oder Supplement ändern, wobei das DICOM-Komitee großen Wert darauf legt, alle Änderungen in einer rückwärtskompatiblen Form einzuführen, d. h. sicherzustellen, dass ein Gerät, das vor einigen Jahren den DICOM-Standard korrekt implementierte, auch nach der heute gültigen Fassung korrekt ist.
Rückwärtskompatibilität
Die rapide Weiterentwicklung von Medizin und Technik, die sich auch im enormen Zuwachs an Seiten (von ehemals rund 750 auf über 4.000) widerspiegelt, erfordert größte Umsicht beim Einführen neuer Datenstrukturen und Netzwerkdienste in DICOM: Alle Neuerungen müssen kompatibel zu alten Fassungen des Standards sein, d. h., ein System aus dem Jahre 1993 muss verlässlich Daten austauschen können mit einem von 2011 und umgekehrt. In sehr seltenen Fällen werden auch Teile des Standards mit einem Supplement zurückgezogen („retired”), d. h., zukünftige Geräte sollen entsprechende Features nicht mehr von sich aus anbieten, sondern diese allenfalls lesend unterstützen. Heutzutage stellen Entwicklungen wie riesige Bilder aus der Pathologie (viele Gigabyte pro Bild) den Standard vor Herausforderungen, die vor 20 Jahren sicherlich die wenigsten vorhersehen konnten.

1.2 Überblick

Wie eingangs erwähnt, setzt sich der Standard aus mehreren Teilen zusammen. Zurzeit sind es 19 Dokumente, die alle einen bestimmten Aspekt des Standards behandeln. Abgesehen von der schlechten Wartbarkeit eines einzelnen, großen Dokuments, liegt hier die Idee zugrunde, jede Information im Standard genau einmal abzulegen, um Inkonsistenzen zwischen verschiedenen Textstellen zu vermeiden. Die folgende Tabelle 1 zeigt die verschiedenen Teile und erläutert kurz ihren Inhalt.

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