02006 Das EMRAM-Reifegradmodell
Eine Einführung
Das Electronic Medical Record Adoption Model (EMRAM) ist ein Modell zur Bestimmung des digitalen Reifegrads eines Krankenhauses.
Damit kann man ein Krankenhaus nicht nur analysieren, d. h. den Digitalisierungs-Istzustand einzelner Abteilungen feststellen, sondern auch einen detaillierten Fahrplan entwickeln, um den Digitalisierungsgrad zu erhöhen.
In diesem Beitrag wird erklärt,
• was es bringt, wenn der digitale Reifegrad eines Krankenhauses bestimmt wird,• warum sich dafür das EMRAM-Reifegradmodell am besten eignet und• Wie das EMRAM-Reifegradmodell funktioniert. von: |
IT-Abteilungen in Krankenhäusern und Kliniken sehen sich mit einer Reihe von Herausforderungen konfrontiert: Die IT-Infrastrukturen im Gesundheitssektor werden zunehmend komplexer, was zu einem steigenden Bedarf an Spezialwissen für die zur Anwendung kommenden medizinischen Applikationen führt. Gleichzeitig ist es schwierig, geeignetes Fachpersonal zu rekrutieren oder notwendige IT-Entwicklungskonzepte beim Zusammenwirken digitaler Medizingeräte in der erforderlichen Geschwindigkeit zu erstellen und weiterzuentwickeln.
Diese Disruption führt zu der Notwendigkeit, Lösungen und Services zu suchen, um IT-Fachleute im Krankenhaus zu unterstützen. Um sich einen Überblick zu verschaffen und um eine Strategie für eine zukünftige Entwicklung der digitalen Reife in einer Klinik abzuleiten, ist eine methodische Vorgehensweise erforderlich.
Viele Krankenhäuser und Kliniken wissen, dass sie ihre Prozesse im Allgemeinen und ihre IT-Prozesse im Besonderen verbessern müssen, um die dynamischen Veränderungen im Gesundheitswesen erfolgreich zu bewältigen. Sie wissen aber oft nicht, wie sie das dazu erforderliche Prozedere Schritt für Schritt erfolgreich angehen sollen.
1 Warum das EMRAM-Stufenmodell?
Eine mögliche Vorgehensweise ist die Einführung eines digitalen Reifegradmodells im Krankenhaus. Ein Reifegradmodell bedient sich dabei einer festgelegten Struktur und legt ein Rahmenwerk fest, das zu einer Vergleichbarkeit von verschiedenen Bewertungen führt.
Reifegradmodell EMRAM
Dafür wird in unseren Fachbeiträgen das Electronic Medical Record Adoption Model (EMRAM) vorgeschlagen, das 2005 von der HealthCare Information and Management Systems Society (HIMSS) eingeführt wurde.
Dafür wird in unseren Fachbeiträgen das Electronic Medical Record Adoption Model (EMRAM) vorgeschlagen, das 2005 von der HealthCare Information and Management Systems Society (HIMSS) eingeführt wurde.
Unsere Fachbeiträge über die EMRAM-Anforderungen erklären, wie in Krankenhäusern und Kliniken die eigene digitale Reife bewertet und Stufe für Stufe weiterentwickelt werden kann. Detailliertes weiterführendes Fachwissen finden Sie in den EMRAM-Beiträgen:
• | Digitalisierung: EMRAM Stufe 1 (s. Kap. 02007) |
• | Digitalisierung: EMRAM Stufe 2 (s. Kap. 02008) |
• | Digitalisierung: EMRAM Stufe 3 (s. Kap. 02009) |
• | Digitalisierung: EMRAM Stufe 3 – zusätzliche Anmerkungen (s. Kap. 02010) |
• | Digitalisierung: EMRAM Stufe 4 (s. Kap. 02011) |
1.1.1 Ziele und Verbesserungen
Folgende übergeordnete Ziele stehen im Mittelpunkt der Anwendung der EMRAM-Methodik:
• | Verbesserung der Patientensicherheit |
• | Steigerung der Patientenzufriedenheit |
• | Unterstützung des Personals |
• | Erhöhung der Sicherheit medizinischer Daten |
Ursprünglich wurde das EMRAM-Modell entwickelt, um den Fortschritt bei der Entwicklung der elektronischen Patientenakte (ePA) in Krankenhäusern zu messen und zu bewerten. Es fußt auf der Theorie, dass Krankenhäuser und Kliniken nur erfolgreich sein können, wenn sie ihre IT-Prozesse Schritt für Schritt anpassen, um von einer analogen Patientenakte zu einer voll digitalen Patientenakte (ePA) zu kommen.
Messung klinischer Ergebnisse
Dafür misst das EMRAM-Modell die klinischen Ergebnisse, um die Prozessabläufe der Patientenbehandlung zu verbessern. Es umfasst Methoden und Algorithmen, um ein gesamtes Krankenhaus in seiner Entwicklung zu bewerten, einschließlich der Erbringung stationärer und ambulanter Dienstleistungen.
Dafür misst das EMRAM-Modell die klinischen Ergebnisse, um die Prozessabläufe der Patientenbehandlung zu verbessern. Es umfasst Methoden und Algorithmen, um ein gesamtes Krankenhaus in seiner Entwicklung zu bewerten, einschließlich der Erbringung stationärer und ambulanter Dienstleistungen.
Detaillierter Fahrplan
EMRAM stellt einen detaillierten Fahrplan (Schritt-für-Schritt-Methode) zur Verfügung, der die Einführung der ePA und der gesamten papierlosen Patientendokumentation erleichtert. Mithilfe der Messung evidenzbasierter Daten im Kontext der Anwendung der einzelnen EMRAM-Stufenvorgaben lassen sich die einzelnen digitalen medizinischen Arbeitsumgebungen optimieren. Daraus folgt eine Verbesserung der abrechenbaren Leistungen – beispielsweise im Hinblick auf interne Abrechnungsprozesse – sowie die finanzielle Nachhaltigkeit der einzelnen Klinikbereiche im Krankenhaus.
EMRAM stellt einen detaillierten Fahrplan (Schritt-für-Schritt-Methode) zur Verfügung, der die Einführung der ePA und der gesamten papierlosen Patientendokumentation erleichtert. Mithilfe der Messung evidenzbasierter Daten im Kontext der Anwendung der einzelnen EMRAM-Stufenvorgaben lassen sich die einzelnen digitalen medizinischen Arbeitsumgebungen optimieren. Daraus folgt eine Verbesserung der abrechenbaren Leistungen – beispielsweise im Hinblick auf interne Abrechnungsprozesse – sowie die finanzielle Nachhaltigkeit der einzelnen Klinikbereiche im Krankenhaus.
Klinikpersonal mitnehmen
Ein wesentlicher Aspekt ist die langfristige Einbindung des Klinikpersonals in den Digitalisierungsprozess sowie die weitere Individualisierung der Patientenbehandlung. Die digitale Nutzung aller erhobenen Daten während der Patientenbehandlung verbessert die Patientensicherheit und trägt dazu bei, die Zufriedenheit des Klinikpersonals zu steigern. Dies wird durch die Reduzierung von Fehlern in der Versorgung, der Verweildauer von Patienten und doppelten Behandlungsaufträgen sowie durch eine Optimierung des Zugriffs und der Nutzung medizinischer Daten erreicht.
Ein wesentlicher Aspekt ist die langfristige Einbindung des Klinikpersonals in den Digitalisierungsprozess sowie die weitere Individualisierung der Patientenbehandlung. Die digitale Nutzung aller erhobenen Daten während der Patientenbehandlung verbessert die Patientensicherheit und trägt dazu bei, die Zufriedenheit des Klinikpersonals zu steigern. Dies wird durch die Reduzierung von Fehlern in der Versorgung, der Verweildauer von Patienten und doppelten Behandlungsaufträgen sowie durch eine Optimierung des Zugriffs und der Nutzung medizinischer Daten erreicht.
1.1.2 Das Konzept „Reifegradmodell”
Das Konzept eines Reifegradmodells wurde in den 1980er-Jahren von dem Software Engineering Institute (SEI) der Carnegie Mellon University auf Initiative des US-Verteidigungsministeriums entwickelt [1] . Es wurde ursprünglich als Instrument zur Bewertung der Softwareentwicklung mit dem Ziel eingeführt, die Effizienz von Entwicklungsprozessen im Softwarebereich zu bewerten und zu verbessern.
Aus diesem Konzept wurde das CMM (Capability Matury Model) entwickelt. Seit der Einführung des CMM im Jahr 1991 haben sich in vielen Bereichen spezialisierte Reifegradmodelle etabliert und stellen ein wichtiges Instrument dar, um ganze Unternehmen aber auch Gesundheitseinrichtungen auf der Basis eines Istzustands zu bewerten und um Entwicklungsperspektiven für die Zukunft aufzuzeigen. Die Anwendung des CMM bewirkt allgemein eine Verbesserung der Arbeitsabläufe innerhalb einer Organisation, indem es einen Weg weg von unreifen Ad-hoc-Arbeitsabläufen hin zu reifen Prozessen mit verbesserter Qualität und Wirksamkeit beschreibt.
Eine spezielle Übertragung dieses Modells auf ein IT-Architekturmanagement (IT Architecture Capability Maturity Model – ACMM) zum Beispiel in einem Krankenhaus oder einer Klinik verfolgt als Ziel die Erhöhung des Wertbeitrags, der Weiterentwicklung und der Verbesserung der Steuerbarkeit der IT innerhalb der sogenannten Wertschöpfungskette in der Gesundheitseinrichtung.
Bestandteile aller Modelle
Ungeachtet der unterschiedlichen Herangehensweisen an die Beschreibung von Reifegradmodellen haben alle Modelle konkrete Bestandteile wie zum Beispiel:
Ungeachtet der unterschiedlichen Herangehensweisen an die Beschreibung von Reifegradmodellen haben alle Modelle konkrete Bestandteile wie zum Beispiel:
• | eine Anzahl von Reifegradstufen mit der dazugehörigen Bezeichnung, |
• | eine Anzahl von Dimensionen (Inhalten), |
• | notwendigen Elementen oder Aktivitäten, die die einzelnen Dimensionen inhaltlich beschreiben und |
• | eine Zusammenfassung der Eigenschaften, die den jeweiligen Reifegrad charakterisieren (generische Beschreibung). |
Reifegradmodelle dienen der Bestimmung des Entwicklungsstands und der Identifikation von Verbesserungspotenzialen sowie der Orientierung hinsichtlich der Richtung und des Ausmaßes von Entwicklungspotenzialen in bestimmten zu betrachtenden Bereichen. Für Gesundheitseinrichtungen lässt sich daraus ableiten, dass eine effektive Bewältigung von Veränderungen zu einer erfolgreicheren Performance führt.
2 Vergleich zu anderen Reifegradmodellen
Trotz einer inzwischen im europäischen und deutschsprachigen Gesundheitsraum zu beobachtenden Zunahme der Verbreitung und Anwendung von funktionierenden Kompetenz- und Reifegradmodellen besteht bislang ein Mangel an einer ganzheitlichen theoretischen Durchdringung zur Erfassung der Anwendungsmöglichkeiten eines Reifegradmodells bis zur höchsten Stufe.
Besonders Krankenhäusern und Kliniken, die über keine Stabsabteilungen verfügen, die in der Lage sind, eine Entwicklungsstrategie zu erarbeiten und darauf abgestimmt mögliche Förderungen und Finanzierungen zu modellieren und zu nutzen, sind benachteiligt.
Hier herrscht in der Praxis eine große Unsicherheit hinsichtlich der Auswahl und Anwendung von verfügbaren Reifegradmodellen (z. B. DigitalRadar oder EMRAM). Diese Unsicherheit kommt nicht zuletzt von der kaum mehr zu überblickenden Vielzahl alternativer, oft sehr ähnlicher Modelle, die von Projektmanagement-Organisationen oder Unternehmensberatungen entwickelt und angeboten werden – die sich schlussendlich, aber nicht hundertprozentig mit dem Krankenhaus oder der Klinik identifizieren.
Ein weiteres Manko ist die gesamtheitliche Betrachtung bei der Anwendung digitaler Reifegradmodelle im Gesundheitswesen im Kontext des Zusammenwirkens digital notwendiger IT-Plattformen und dem Anschluss digitaler Medizingeräte an diese Plattformen. Andere Reifegradmodelle berücksichtigen zu wenig das Zusammenspiel von Plattformen mit Medizingeräten.
Wünsche besser nicht alle gleichzeitig umsetzen
Hinzu kommt der Wunsch vieler Kliniken, eine Fülle von medizinischen Anforderungen an die Digitalisierung gleichzeitig erfüllen zu wollen (z. B. Einführung von klinischer Entscheidungsunterstützung oder Einführung von KI usw.). Folgt man an dieser Stelle keiner Strategie mit der Grundlage einer Methodik, kann man sich schnell verzetteln. Die sich ständig ändernde politische Lage (z. B. Gesetze, Verordnungen und Normen) sind ebenfalls eine große Hürde bei der Umsetzung einer Reifegradstrategie im Krankenhaus.
Hinzu kommt der Wunsch vieler Kliniken, eine Fülle von medizinischen Anforderungen an die Digitalisierung gleichzeitig erfüllen zu wollen (z. B. Einführung von klinischer Entscheidungsunterstützung oder Einführung von KI usw.). Folgt man an dieser Stelle keiner Strategie mit der Grundlage einer Methodik, kann man sich schnell verzetteln. Die sich ständig ändernde politische Lage (z. B. Gesetze, Verordnungen und Normen) sind ebenfalls eine große Hürde bei der Umsetzung einer Reifegradstrategie im Krankenhaus.
2.1 Vorteile von EMRAM
Folgende Ziele können mit der Anwendung des EMRAM-Stufenmodells verfolgt werden:
Inanspruchnahme von Förderung und Finanzierung: Mit dem Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG) hat die Bundesregierung im Jahr 2020 ein milliardenschweres Förderprogramm eingeführt, um die deutschen Krankenhäuser beim Ausbau ihrer digitalen Strukturen zu unterstützen. Eine Förderung und nachfolgende Weiterförderungen sind jedoch nur möglich, wenn die Krankenhäuser ihren digitalen Reifegrad in einer Selbsteinschätzung darstellen, die auch auf Grundlagen des EMRAM-Modells fußt. Die Anwendung des EMRAM-Modells hilft dabei, Förderbereiche zu identifizieren und mögliche Förderfinanzierungen gezielt einzusetzen.
Identifikation von Defiziten: Die Anwendung des EMRAM-Reifegradmodells ermöglicht es Krankenhäusern und Kliniken, ihre Digitalisierungsdefizite im Vergleich zu anderen Einrichtungen zu erkennen. Dadurch können sie gezielt Maßnahmen ergreifen, um ihre digitale Infrastruktur zu verbessern und eine bedarfsgerechte Gesundheitsversorgung zu gewährleisten.
Handlungsfelder und Schwachstellen: Eine gute digitale Reifegradmessung geht über eine einfache Stufen-Zahl hinaus. Sie leitet aus den Ergebnissen konkrete Handlungsfelder und Schwachstellen ab. Diese Informationen sind entscheidend, um digitale Entwicklungsprojekte in den Krankenhäusern und Kliniken effektiv zu planen und nachhaltig umzusetzen.
Vergleich mit anderen Ländern: Erhobene Daten aus Deutschland können mit dem international gebräuchlichen Score des EMRAM-Modells verglichen werden. Dieser Score kann aufzeigen, ob und wie deutsche Krankenhäuser im Vergleich zu anderen Ländern wesentliche wichtige Bereiche wie die Einführung von Interoperabilität und Patientenpartizipation im Krankenhaus gemacht haben.
3 Wie funktioniert EMRAM?
Das EMRAM-Stufenmodell wurde entwickelt, um den Fortschritt bei der Entwicklung der elektronischen Patientenakte (ePA) in Krankenhäusern zu messen und zu bewerten. Es fußt auf der Theorie, dass Krankenhäuser und Kliniken nur erfolgreich sein können, wenn sie ihre IT-Prozesse Schritt für Schritt anpassen, um von einer analogen zu einer voll digitalen Patientenakte zu kommen. Seitdem haben viele Länder ähnliche Modelle eingeführt, um die Digitalisierung in ihrem Gesundheitswesen zu fördern und zu bewerten.
Das EMRAM-Modell dient der Bewertung des digitalen Reifegrads von Krankenhäusern. Die EMRAM-Stufen reichen von 0 bis 7, wobei 0 die niedrigste und 7 die höchste Stufe darstellt. Die EMRAM-Stufen berücksichtigen verschiedene Aspekte der ePA, wie z. B. die Erfassung, Speicherung, Vernetzung und Nutzung von klinischen Daten. Ziel der Umsetzung der einzelnen EMRAM-Stufen im Krankenhaus ist es, die Qualität, Sicherheit und Effizienz der Patientenversorgung zu verbessern und die digitale Transformation im Gesundheitswesen zu fördern.
Die inhaltliche Darstellung der Stufenbeschreibungen können nur beispielhaft aufzeigen, welche Anforderungen EMRAM an die Krankenhausorganisation stellt. Die Umsetzung der einzelnen Stufen sind mit enormen Anstrengungen verbunden, wenn die Stufen dauerhaft Bestand haben sollen. Besonders schwierig ist der Übergang von Stufe 3 zu Stufe 4 und der Übergang von Stufe 5 zu Stufe 6. Die Stufe 7 zu erreichen, setzt überdurchschnittliche Anstrengungen und visionäres Engagement voraus.
3.1 Die einzelnen Stufen
Das EMRAM-Modell umfasst insgesamt 8 Stufen. Jede Stufe für sich beinhaltet einen nächsten Schritt mit dem Ziel der Prozessoptimierung bei der Anwendung digitaler klinischer Applikationen.
Abb. 1: Roadmap EMRAM-Stufen, angelehnt an HIMSS
Ziel in Stufe 7 des EMRAM-Modells ist die Implementierung einer elektronische Patientenakte (Electronic Medical Record – EMR), die als Schlüsselkomponente der digitalen Transformation im Krankenhaus und darüber hinaus des Gesundheitswesens gilt. Die Implementierung eines EMR verspricht verschiedene Verbesserungen (z. B. bei der Verfügbarkeit von Informationen, der Koordination der Versorgung oder der Patientensicherheit) und ist für Big-Data-Analysen erforderlich.
Im Folgenden werden die Anforderungen jeder Stufe kurz skizziert.
3.1.1 Stufe 0
Das Krankenhaus beginnt, wichtige digitale Leistungsabteilungen einzeln in Betrieb zu nehmen und zu implementieren, z. B.
• | Apotheke, |
• | digitale Fallakte: Krankenhausinformationssystem – KIS, |
• | Labor: Laborinformationssystem – LIS, |
• | Radiologie: Radiologieinformationssystem – RIS, |
• | Kardiologie: Kardiologieinformationssystem – CIS. |
3.1.2 Stufe 1
• | Die vorhandenen IT-Systeme Apotheke, LIS, RIS, CIS und ein digitales Röntgenbildarchiv (PACS) erstellen abgestimmte Patientenberichte/Patientenbefunde/Patientendokumente. |
• | Das Krankenhaus ist durch den Einsatz strategischer Instrumente darauf vorbereitet, widerstandsfähiger gegen unvorhergesehene Ereignisse zu werden und seinen Krankenhausbetrieb kontinuierlich fortzusetzen (Einführung von Resilenzmanagementplänen). |
• | In einem federführenden IT-System (z. B. KIS) werden die notwendigen Behandlungsdokumente (z. B. digitale Fallakte) vorgehalten, |
• | Laborwerte können aus dem LIS an das KIS übermittelt werden. |
• | Das KIS kann DICOM- und NICHT-DICOM-Bilder empfangen, |
• | Ärzte können aus dem KIS auf die Bilddaten zugreifen (z. B. auf Röntgen- oder Sonografiebilder). |
• | Für jedes IT-System gibt es ein Ausfallszenario (Business-Resilienz-Pläne, z. B. IT-Notfallpläne), in denen beschrieben wird, wie sich Umfang und Dauer der Ausfälle auf den Betrieb des Krankenhauses auswirken. |
3.1.3 Stufe 2
• | Das Krankenhaus führt ein klinisches Datenrepository (Clinical Data Repository – CDR) ein. Das CDR bietet Zugriff auf Ergebnisse und Berichte der Patientenbehandlung. Zusätzlich stehen eine IT-Governance und eine Richtlinienkontrolle zur Verfügung. |
• | Ärzte erhalten in den untergeordneten IT-Systemen (z. B. EKG-System) erste Ansätze für eine klinische Entscheidungsunterstützung. |
• | Für alle IT-Systeme insbesondere der Pflegedokumentation sind zertifizierte Schulungsunterlagen bereitgestellt worden. |
• | Es gibt ein eingeführtes System zur Überwachung der IT-Sicherheit. |
• | Im Rahmen eines krankenhausinternen Qualitätsmanagements (QM) wird zusätzlich ein klinisches Überwachungssystem (Governance) eingeführt, mit dem die Definitionen von Arbeitsabläufen und Behandlungszielen abgebildet und beschrieben werden. |
• | Es gibt digitale Verfahren für die Unterstützung der Visite am Krankenbett. |
• | Die Probenentnahme von Laborproben und die IT-Infrastruktur wird mit einem IT-Managementsystem überwacht. Innerhalb dieses Systems gibt es ein IT-Änderungsmanagement mit integrierter Plausibilitätsprüfung. |
• | Klinische Applikationen und Anwendungen werden nach einer vorgegebenen Kritikalität (niedrig, mittel, hoch) priorisiert, im Kontext der Umsetzung eines Business-Continuity-Plans (BCP). Damit wird versucht, den Geschäftsbetrieb des Krankenhauses im Fall unerwarteter Störungen und Ausfälle aufrechtzuerhalten. |
• | Die IT-Sicherheit nimmt einen hohen Stellenwert im Krankenhaus ein, wird von den Mitarbeitern getragen und das Krankenhaus ist resilient gegen Cyberangriffe und IT-Ausfälle. |
3.1.4 Stufe 3
• | Die Nutzung des CDR hat einen ausgereiften Grad erreicht. Die Zugriffe auf das CDR erfolgen über ein eingeführtes Rollen- und Rechtekonzept (rollenbasiert = Jeder Mitarbeiter hat eine Rolle). |
• | Klinisch tätigem Personal stehen digitale Tools zur Verfügung, mit denen die klinische Dokumentation unterstützt wird. |
• | Für die Verordnung von Medikamenten wird eine digitale Medikationsaufzeichnung eingeführt (eMAR), diese ist integriert in das elektronische Fallaktensystem und dient dazu, die Medikationsfehler zu reduzieren. |
• | Das Patientendokumentationssystem verfügt über den digitalen Anschluss an externe regionale und nationale Unterstützungssysteme (z. B. Register oder Meldesysteme). |
• | In der Patientenpflege wurde bereits Point of Care-Medizin eingeführt (z. B. Labormessungen eines eingeschränkten Analysespektrums direkt am Krankenbett, im Operationssaal oder in der Intensivmedizin). |
• | Klinische Entscheidungsunterstützungssysteme sind weiter in die Patientenbehandlungssysteme integriert worden. |
• | Für den Zugriff auf alle medizinischen Applikationen wurden ein rollenbasiertes Zugriffssystem (Identity and Access Management System – IAM) eingeführt, das mit der jeweiligen Rolle des Mitarbeiters im Krankenhaus abgestimmt ist. |
• | Die IT-Sicherheit wird weiter verbessert, geplante und ungeplante IT-Ausfälle sind in Ausfallplänen dokumentiert, die betriebliche Resilienz wird weiter gestärkt und dokumentiert. |
3.1.5 Stufe 4
• | Einführung eines CPOE-Systems (Computerized Practitioner Order Entry) für die digitale Auftragserstellung in den Systemen (Apotheke, LIS, RIS, CIS) im Kontext der Überwachung der Medikation mit einem geschlossenen Medikationssystem (Closed Loop Medication Management) mit digitaler Verschreibung, pharmazeutischer Validierung und Unit-Dose-Versorgung zur Verbesserung der Arzneimitteltherapiesicherheit. |
• | Verbesserung der klinischen Entscheidungsunterstützung durch Einführung von CDS (Clinical Decision Support) zum Beispiel zur Unterstützung von: |
• | Medikationswarnungen, | ||||||||
• | Best-Practice-Benachrichtigungen, | ||||||||
• | Bestellsets, | ||||||||
• | Dokumentationsvorlagen, | ||||||||
• | klinischen Referenzinformationen und | ||||||||
• | Anwendung evidenzbasierter Leitlinien.
| ||||||||
• | sichere patientenzentrierte Pflege, | ||||||||
• | Meldung von Vorkommnissen (Critical Incident Reporting – CIRS), | ||||||||
• | Überwachung von Morbidität und Mortalität (M&M-Konferenzen) usw. |
auf Wirksamkeit, Benutzerfreundlichkeit und Compliance.
• | Die Patientendaten werden rechtskonform gesichert durch moderne revisionssichere Archive. |
• | Die IT-Sicherheit wird von allen Mitarbeitern anerkannt und gelebt. |
• | Die IT-Systeme werden auf plattformähnlicher Infrastruktur vorgehalten und strategisch im laufenden Betrieb nach vorne entwickelt und ausfallsicher betrieben. |
3.1.6 Stufe 5
• | Die Integration von medizinischen Daten aus externen Datenquellen (z. B. telemedizinische Daten) wird in die laufende Behandlung eingeführt. |
• | In der laufenden digitalen Patientenakte werden durch integrierte Online-Tools die klinischen Parameter überwacht und bei Überschreiten von eingestellten Alarmen und Parametern werden Echtzeitwarnungen ausgegeben. |
• | Stationäre und ambulante Telemedizin und virtuelle Pflegeprozesse (z. B. eine virtuelle Sprechstunde) sind im klinischen Alltag verfügbar und über interoperable Schnittstellen im Pflegeprozess integriert. |
• | Telemedizin wird genutzt, um den Patienten eine Überwachung, Beratung und virtuelle Behandlung vor der Aufnahme in die Klinik als auch nach der Entlassung anzubieten. |
• | Systeme zur Abwehr unbefugter Zugriffe auf die IT-Applikationen (Intrusion Prevention Systems – IPS) sind fester Bestandteil der Netzwerküberwachung. |
• | Die Bereitstellung von klinischen Online-Tools ist ein Standard in der patientenzentrierten Behandlung. |
• | Die echtzeitgesteuerte Pflege (z. B. durch zeitgesteuerte automatisierte Medikationssteuerung) wurde eingeführt. |
• | Es wird dauerhaft die Effizienz und die Produktivität (z. B. durch integrierte Erfolgskontrolle) der Pflegequalität untersucht und arbeitstäglich berichtet (z. B. bei Schichtübergaben der Pflege oder Verlegung des Patienten). |
• | Digital angeordnete Überwachung von Vitalparametern (z. B. Blutdruck, Herzfrequenz, Sauerstoffsättigung) oder digital angeordnete Laborparameter werden in Echtzeit in der Pflegedokumentation angezeigt. |
• | Bei einer Überschreitung von eingestellten Grenzwerten erfolgt in der Dokumentation eine automatische Warnung über die Verschlechterung des Gesundheitszustands des Patienten (integriertes medizinisches Risikomanagement). |
• | Es erfolgte bereits eine Einführung eines interoperablen auf der IHE-Initiative kollaborierten Verfahrens (IHE: Integrating the Healthcare Enterprise), zur Integration von Dokumenten aus externen Quellen in das CDR (z. B. über den CDA – Clinical Document Architecture-Dokumentenstandard). |
• | Es findet eine kontinuierliche Überwachung von CPOE durch das Clinical Governance Committee statt (z. B. Wirksamkeitsprüfung, Prüfung auf effizientes Arbeiten des Personals). |
• | Klinische Behandlungsergebnisse werden kontinuierlich anhand von Kennzahlen gemessen. Die Einführung von Data Analytics Governance erfasst alle Daten, ermittelt daraus Kennzahlen und bereitet diese zur Auswertung durch die Geschäftsführung im Krankenhaus aus (Ziele: Prozessoptimierung, Effizienzverbesserung, Kostenreduktion bei der Datenhaltung, Verbesserung der Datenqualität, Schaffen von Vertrauen in die eigenen Daten usw.). |
3.1.7 Stufe 6
• | Es wird die vollständige interoperable Integration von aktiven Medizinprodukten umgesetzt (z. B. alle vernetzten Medizinprodukte) über vorbereitete IT-Plattformen. |
• | Visionär erfolgt die Vorbereitung zur Integration von mobilen Medizinprodukten (z. B. Wearables und aktiven Implantaten). |
• | Es erfolgt ein Austausch von Gesundheitsdaten solcher Patienten, die mit mobilen aktiven Medizinprodukten versorgt wurden und für die es eine Nachsorge gibt (z. B. proaktives Monitoring über Mobilfunkintegration). Derzeitiger Standard ist 5G. Der zukünftige 6G-Mobilfunkstandard wird dabei eine wichtige Rolle spielen. Typische Use Cases sind z. B. |
• | Biosignalmonitoring, | ||||||||||||||||||
• | kollaboriertes Zusammenarbeiten in der medizinischen Versorgung (z. B. visuelle Unterstützung über AR/VR), | ||||||||||||||||||
• | Smart-Hospital-Anwendungen, | ||||||||||||||||||
• | der Austausch der Ergebnisdaten.
|
3.1.8 Stufe 7
• | Es erfolgt eine vollständige Integration von Daten aus externen Quellen. Patienten die externe Services nutzen (z. B. Patientenmonitoring von Vitaldaten oder Biosignaldaten) erhalten vom Krankenhaus generierte Benachrichtigungen und Erinnerungen, um die selbstverwaltete Patientenversorgung in der häuslichen Umgebung zu unterstützen. Dazu werden automatisierte Tools genutzt, die die Messwerte der Patientenergebnisse auswerten und digital berichten. |
• | Die digitale Infrastruktur des Krankenhauses wird an die dynamische Patienteneinbindung (z. B. über externe Datenquellen) auf einer dafür vorgesehenen sicheren IT-Plattform konfektioniert. |
• | Die medizinische Fallakte wird in eine von Datensilos befreite digitale Patientenakte EMR (Electronic Medical Record) überführt. Relevante Patientendaten von Akutpatienten sind in der EMR für das klinische Personal an jedem digitalen Arbeitsplatz einsehbar. |
• | Durch die digitale Überwachung vermeidbarer Sentinel Events/Never Events steigt die Patientenzufriedenheit. |
• | Die EMR ist auf die Bedürfnisse der Kliniker in den unterschiedlichen stationären und ambulanten Klinikbereichen optimiert (Idealfall: Klinische Informationen stehen für den Arzt zur richtigen Zeit am richtigen Ort zur Verfügung). |
• | Kontinuierliche Audits stellen sicher, dass der Workflow und die integrierten Tools in der EMR den Anforderungen an den klinischen Alltag entsprechen. Gleichzeitig wird die Einhaltung der freigegebenen klinischen Standards überwacht. |
• | Validierte und auditierte IT-Sicherheitsrichtlinien und eine Governance für die Datensicherheit gewährleisten die Sicherheit der Patientendaten zu jedem Zeitpunkt. Sie bilden die Grundlage einer dauerhaften erfolgreichen EMR-Implementierung im Krankenhaus. |
• | Regelmäßige kontinuierliche Qualitätssicherungsmaßnahmen in überschaubaren Abständen garantieren dem Krankenhaus die optimale Verwendung aller erforderlichen Daten zur patientenzentrierten Behandlung auf Anwendungsebene der EMR. |
4 Praxishilfen zur Umsetzung
Die Redaktion von Medizintechnik und Informationstechnologie (MIT) möchte mit detaillierten Beschreibungen der Anforderungen an die einzelnen EMRAM-Stufen und mit Aufzeigen von praktischen Anwendungsbeispielen darstellen, wie die Umsetzung des Reifegradmodells Schritt für Schritt gelingen kann und dauerhaft geeignet ist, die strategische digitale Transformation in einem Krankenhaus oder einer Klinik einzuleiten und fortzuführen.
Sie finden die Stufenbeschreibungen als detaillierte einzelne Fachbeiträge:
• | Digitalisierung: EMRAM Stufe 1 (s. Kap. 02007) |
• | Digitalisierung: EMRAM Stufe 2 (s. Kap. 02008) |
• | Digitalisierung: EMRAM Stufe 3 (s. Kap. 02009) |
• | Digitalisierung: EMRAM Stufe 3 – zusätzliche Anmerkungen (s. Kap. 02010) |
• | Digitalisierung: EMRAM Stufe 4 (s. Kap. 02011) |
5 Ausblick und Tipps
Die Digitalisierung des Gesundheitswesens hat in den letzten zwei Jahrzehnten an Dynamik gewonnen, insbesondere mit dem Aufkommen von Innovationen wie dem Internet of Medical Things (IoMT), Telemedizin und KI-basierten medizinischen Tools. Die moderne IT im Branchensektor HealthCare hat sich zu einer digitalen Infrastruktur entwickelt. Es wird eine enorme Menge an klinischen, finanziellen und operativen Daten gesammelt, verwaltet und integriert, die vom Gesundheitssystem generiert werden, um seine Sicherheit, Effektivität und Effizienz zu verbessern. Die Umstellung von Papier auf Digital ist entweder vorbei oder wird bald vorbei sein. Bei der Digitalisierung oder digitalen Transformation wird die digitale Infrastruktur auf nationaler, europäischer, regionaler und lokaler Ebene alle Prozesse umfassen und nicht wie bisher projekt- oder programmorientiert sein.
Bei aller Euphorie für die Digitalisierung im Gesundheitswesen gilt es zu beachten, dass gleichzeitig auch die Gebäudeinfrastruktur Schritt halten muss. Das bedeutet, jedes auch noch so ausgefeilte Reifegradmodell keine infrastrukturellen Engpässe beseitigen kann. Bevor die EMRAM-Stufen Schritt für Schritt umgesetzt werden können, muss geprüft werden, ob auch die Infrastruktur des Krankenhauses für den nächsten Schritt vorbereitet ist.
Der derzeitige digitale Reifegrad deutscher Krankenhäuser unter Einbeziehung des EMRAM-Modells weist darauf hin, dass die Digitalisierung von Krankenhäusern kein Selbstzweck ist. Politik und Krankenhäuser sind gut beraten, sich nicht nur auf die bloße Einführung digitaler Technologien zu konzentrieren, sondern kontinuierlich auf eine Digitalisierung hinzuarbeiten, die von Ärzten und Pflegekräften, die täglich darauf angewiesen sind, als wertvoll empfunden und mitgetragen wird (begleitende Umsetzung von Changemanagement).
Darüber hinaus sollten auf Reifegradmodellen beruhende Digitalisierungsstrategien in Krankenhäusern berücksichtigen, dass der angenommene Nutzen einzelner Technologien nicht immer über alle Versorgungsbereiche hinweg Erfolg verspricht [2] .
Die Einrichtungen des öffentlichen Gesundheitswesens sollen sich bei ihren Digitalisierungsprojekten an einem Reifegradmodell orientieren. Mithilfe dieses auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse gemeinsam mit Expertinnen und Experten erstellten und erprobten Bewertungsschemas können die Einrichtungen den Stand ihrer bisher erfolgten oder laufenden Digitalisierungsbemühungen selbstständig einschätzen.
6 Weiterführende Literatur/Links
Bundesministerium für Gesundheit: Reifegradmodell für die Unterstützung des „Pakts für den Öffentlichen Gesundheitsdienst”
Bundesministerium für Gesundheit: Bundesgesundheitsministerium fördert Digitalisierung des Öffentlichen Gesundheitsdienstes
HIMSS: Electronic Medical Record Adoption Model (EMRAM) – The global standard for EMR transformation
Wurster, F., Beckmann M., Cecon-Stabel, N., Dittmer, K., Hansen, T.J., Jaschke, J., Köberlein-Neu, J., Okumu, M. R., Rusniok, C., Pfaff, H., Karbach, U.: The Implementation of an Electronic Medical Record in a German Hospital and the Change in Completeness of Documentation: Longitudinal Document Analysis, JMIR Med Inform 2024;12.
Quellen
1
Chrissis, M. B., Konrad, M., Shrum, S.: CMMI® Version 1.3 für die Entwicklung – Richtlinien für Prozessintegration und Produktverbesserung. München 2006: Addison Wesley Verlag
2
von Wedel, P.; Hagist, C.; Liebe, J.-D.; Esdar, M.; Hübner, U.; Pross, C.: Effects of Hospital Digitization on Clinical Outcomes and Patient Satisfaction: Nationwide Multiple Regression Analysis Across German Hospitals, Journal of Medical Internet Research 2022, 24(11).